Schinderhannes wild & frei

Ich sitze auf der Couch und lasse den Abend Revue passieren. Ich war in der Reduit in Mainz -Kastel und habe mir „Schinderhannes wild & frei“ von ein Singspiel von Lothar Pohl und Sheela Berigai, begleitet von den Crackers.

Kritik

Vorab, die Stimmung war super, die Politprominenz vertreten und ich habe eine alte Freundin, mit der ich Abitur gemacht habe, wiedergefunden. Es wurde gesungen, gelacht und viel geklatscht. Die Reihe hinter mir übte gerechtfertigte Kritik, da die Karten für das Ambiente zu teuer und die Bestuhlung wirklich drittklassig gewesen ist. Die Getränke waren relativ teuer für diese Veranstaltung.

Freie Platzwahl, aber reserviert für diesen und jenen geht halt auch nicht, obwohl ich mich dreist neben einen Bundestagsabgeordneten platziert habe, den ich durch lokale Veranstaltungen flüchtig kenne und ich ja sowieso keine Berührungsängste habe.

Wie war da Musical?

Da ich vor kurzem erst die Biografie vom Schinderhannes gelesen hatte, da dieser nachweislich mit mehreren Ahnen zusammengetroffen sein muss, er war zur gleichen Zeit im gleichen Raum, war ich natürlich sehr gespannt, wie die Biografie des berüchtigten Räuberhauptmannes umgesetzt wurde.

Spielerisch und gesangstechnisch sehr gut. Die Stimmung war super, die Menschen hatten Spass und jeder sprach mit jedem. Das Bühnenbild war sehr einfach gehalten, ein paar Stühle und die Dekoration war eine große Leinwand. Wer auch immer das Video dazu gemacht hat, hat einen guten Job geleistet, aber ich bin da wirklich von meinen sehr einfach inszenierten Opern verwöhnt, ich war folglich nicht begeistert.

Aber inhaltlich?

Einfach nur schlecht, da wurde sehr, sehr schlecht recherchiert und vieles durcheinander gebracht.

Fangen wir einmal ganz von vorne an, es ist nicht erwiesen, ob Johanne Bückler in Miehlen bei Nastätten geboren wurde oder in Weidenbach. Er ist auch nicht von dort weggezogen, um alleine weiterzuziehen, sondern die Familie zog zusammen zuerst nach Mähren und dann nach Merzweiler zum Großvater. Die Mutter hatte eine Leinwand gestohlen, der Vater war desertiert.

Warum der Schinderhannes von einem älteren Herren um die 50 gespielt wurde, obwohl er kaum 24 Jahre alt war, als er starb, liegt eventuell daran, dass man keinen jüngeren Sänger gefunden hat, passt aber gar nicht und hinterlässt ein falsches Bild.

War Johannes Bückler ein Robin Hood oder gar ein Andreas Hofer?

Ein weiterer großer Fehler ist, dass Schinderhannes als Retter der Armen und als Freiheitskämpfer dargestellt wird. Er war alles, nur kein Retter der Armen, er war kein Robin Hood, auch wenn viele es so sehen wollen. Da hat wohl jemand zuviel Curry Jürgens in dessen Rolle des Hannes gesehen.

Schinderhannes soll zwar, so hat es sein Biograph Mark Scheibe recherchiert, dem ein oder anderen armen Menschen geholfen haben, aber er war ein Taugenichts, ein Viehdieb und nahm am Meuchelmord teil. Er nahm nicht von den Reichen, um es den Armen zu geben, er überfiel alle, die etwas besassen, egal, ob dem Bauern sein Vieh oder dem Reichen sein Geld. Die Beute nahm er für sich, bzw für die, die beim Überfall beteiligt gewesen sind, aber nicht, um es denen zu geben, die wenige hatten.

Er war auch kein Freiheitskämpfer, denn anders wie Andreas Hofer kämpfte er nur für sich, und nicht für die Freiheit seiner Mitbürger

Es gibt eine nachweisliche Liste, wen er bestohlen hat und was seine Beute gewesen ist. Insgesamt wurde er 52 Verbrechen beschuldigt, wegen denen er beschuldigt wurde.

Räuberhauptmann Schinderhannes?

Was wenige wissen, er war tatsächlich kein Räuberhauptmann, der eine einzige Bande anführte und mit ihr durch die Wälder zog, sondern schloss sich immer verschiedenen Banden an, in denen er oft schnell das sagen, aber ein Räuberhauptmann, mit immer den gleichen Kumpanen, das war er nicht. Er war mit mehren Banden unterwegs und einige seiner Komplizen standen ihm dabei treu zur Seite.

Die Kinder des Schinderhannes

Aber das ist nicht der einzige Fehler in der Biographie – Hannes hatte zum Beispiel ein Kind mit Catharina Pfeiffer, die er in Langenhain kennenlernte, sie zog mit ihm weiter und bekam ihre Tochter, als Hannes bereits mit Julchen zusammen war. Dieses Kind wird gar nicht erwähnt, nur das des Julchens fand einen Platz in der Geschichte

Julchen hatte er auch nicht auf einer Hunsrücker Kerb kennengelernt, sondern an einem lustigen Abend.

Sterbedatum

Im Musical wird der 30.11.1803 genannt. Tatsächlich war es der 21.11.1803, an dem der Schinderhannes, der wohl aufgrund seines ungeborenen Kindes sittsam werden wollte, seinen Kopf verlor. Aber unschuldig und zu unrecht war es nicht. Nicht umsonst möchten die Nachfahren des Schinderhannes bis heute nicht mit ihm in einem Atemzug genannt werden.

Zum Schluss wurde es Politisch

Am Ende des Abends wurde es tatsächlich politisch. Johannes Bückler wurde verherrlicht, es müsste mehr Menschen geben, die wie er, während der französischen Revolution, nicht weggesehen haben. Menschen, die aufstehen und kämpfen, die für den Nachbarn sprechen und nicht dagegen. Menschen wie er, so habe ich es durch die Blume verstanden, hätten das dritte Reich verhindern könnten. Nein, das hätte er nicht, denn er kämpfte für sich und seine Kumpanen, aber nicht für die Rechte des kleinen Mannes.

Die Begriffe Heimat und zu Hause wurden wie so oft verwechselt, die Heimat ist dort, wo man aufgewachsen ist, wo man seine Wurzeln hat, wo man herkommt – man kann eine zweite Heimat finden, aber dort fühlt man sich zu Hause – Heimat ist Heimat, das wird jeder der dies verlassen hat, Meine Heimat ist in … aber hier bin ich zu Hause.

FAZIT

Das Musical ist eine Verherrlichung eines Räubers, mit vielen falschen Fakten. Schlecht recherchiert und vor allem fehlen viele Tatsachen, die das wahre ICH des Schinderhannes zeigen. Wer seine Biographie kennt, der wird, so wie ich es getan habe, Kopfschüttelnd im Publikum sitzen. Die Musik und die Sänger waren gut, klar, wer einen Schönen Abend haben will, ist hier gut aufgehoben, wer die Biographie kennt und auf wahre Fakten hofft, ist hoffnungslos verlassen

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